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Der See

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Dieser geschlossene Zyklus von 14 Landschafts-zeichnungen, bilden gemeinsam ein großes Panorama. Die Serie wurde zum ersten Mal 2021 in Athen anlässlich der 200 Jahre der Unabhängigkeit Griechenlands vom Osmanischen Reich in der Galerie ENIA präsentiert.


Savvidis ließ sich für diesen Zyklus von zwei historischen Quellen inspirieren: Zum einen von Zeichnungen und Kunstdrucken europäischer Reisender auf "Grand Tour", die zwischen 1776 und 1889 entstanden, und zum anderen von den Reise-berichten des Türken Evliya Çelebi (1611 - 1682)

Die Grand Tour war eine obligatorische Bildungsreise des aufgeklärten europäischen Bürgertums und des Adels, 

Dort, in Hellas, warteten die Ruinen einer verklärten Antike auf die Wiederauferstehung durch den europäischen Geist. In den Reisezeichnungen findet man den korrekt vermessenen Raum, die Flucht-perspektive, die abgeklärte Distanz zur Landschaft als eigenes Genre, die Geschichte als Linie.

 

Um 1667 beschrieb der bedeutende türkische Reise-schriftsteller Evliya Çelebi in seinen Reiseberichten die griechischen Gebiete als Teil des Osmanischen Reiches ein nahöstliches Gebiet mit vorherrschenden Zweifeln an linearen Wahrnehmungen, mit parallelen Wahrheiten und mit einem im Glauben verwurzelten Identitätsgefühl. Es ist ein Gebiet voller Sagen, Wunder und Legenden. Bei Çelebi sind Beobachtungen ist nur ein Teil des Berichts. Ein anderer Teil stammt aus vielfältigen mündlichen Überlieferungen, begeistert nacherzählt in einer Sprache der Übertreibung. Die analytische Flucht-perspektive hat hier keine Bedeutung. Renaissance und Aufklärung haben hier nicht stattgefunden. Das Spirituelle und die Variabilität der Wahrheit finden sich nicht in den Zeichnungen der Grand Tour.

 

Die Bilder oszillieren zwischen diesen beiden Kosmen, und suchen eine Annäherung an das neue Griechenland. Ohne die Originalvorlagen zu verändern oder zu beschneiden, werden sie passend zum jeweiligen Bild so ergänzt, dass sie an den kurzen Seiten zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden können. Ein subjektives Spiel, das diesen unvereinbaren Welten eine Möglichkeit der Zusammengehörigkeit gibt: Da die real existierende Akropolis in jedem Bild auftaucht, schafft das aktivierte Panorama eine übertriebene Landschaft mit mit vierzehn „Akropolissen“, jede perspektivisch und räumlich korrekt wiedergegeben, aber dennoch eine Illusion. Hinzu kommt ein Seeufer, das in jedem der Bilder vorhanden ist und dem Kinder zu entspringen scheinen—scheinbar die einzigen Bewohner dieser Welt.

 

„Der See“ legt die selbst auferlegte Aneignung Griechenlands durch den westlichen Blick offen.

Diese Aneignung erfolgte nicht nur durch die temporäre Anwesenheit der europäischen Besucher (die Grand-Tour-Künstler blieben nur kurz), sondern wurde von den neuen hellenischen Eliten als Teil des neuen griechischen Nationalnarrativs gewollt und etabliert, obwohl sie in keiner Weise dem traditionellen Lebensstil entsprachen. Das moderne Griechenland entstand quasi als Spiegel europäischer Fantasien über die klassische Antike. Diese Aneignung erinnert an Franz Fanon, der in seinen Analysen zum europäischen Kolonialismus recherchiert hat: Der Erfolg des kolonialen Subjekts bestand vor allem in der Akzeptanz der Unter-werfung durch die Unterworfenen, also in der Konstruktion des neuen, kolonialen Subjekts.
Die Unvereinbarkeit des westlichen Narrativs eines idealisierten, ewig antiken Hellas einerseits und der Realität des kulturell vielschichtigen östlichen Mittelmeerraums andererseits wird in Frage gestellt. 

 

Der See (#14), 35cm x 84cm, Aquarell und
Der See (#13), 35cm x 84cm, Aquarell und
Der See (#10), 35cm x 84cm, Aquarell und
Der See (#9), 35cm x 84cm, Aquarell und
Der See (#8), 35cm x 84cm, Aquarell und
Der See (#7), 35cm x 84cm, Aquarell und
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